Es ist Papawochenende. Der Papa ruft aus dem Auto an und sagt "Wir sind jetzt los gefahren." Der Sohn Tim fragt, "Wer?" und Papa antwortet, Michaela und ich. Michaela ist seine neue Freundin. "Ok", sagt der Junge, legt auf und wirft Mr. Freeze mit voller Wucht an die Zimmerwand. "Bist Du sauer?", fragt die Mama, bekommt aber keine Antwort. Sie setzt sich zu ihm.

"Magst Du mir erzählen was Dich sauer macht?" fragt sie. Tim dreht ihr den Rücken zu. Sie nimmt ihn in den Arm. Tim ist 6 Jahre alt und besucht die Grundschule in Nippes. Er hat oft das Gefühl, dass alle nur was von ihm wollen und findet, er bleibt dabei auf der Strecke. Er findet das sowieso scheiße, dass seine Eltern sich getrennt haben, und jetzt ist ständig diese scheiß Michaela dabei. Eigentlich mag er sie, aber er mag nicht, dass sie immer dabei ist. Vorher war er auch alleine mit dem Papa, da haben sie viel mehr Spaß gehabt.

"Nun?" fragt die Mama. Tim schweigt. "Ich will mit dem Papa in den Zoo gehen, nicht mit Michaela!" platzt es plötzlich aus ihm heraus. "Was für ein Arsch", denkt sich die Mama, beißt sich aber auf die Zunge. Sie findet das unfair. Er setzt das Kind einfach vor vollendete Tatsachen anstatt es zu fragen. "Wolltet ihr in den Zoo gehen?" zwingt sie sich dazu, empathisch zu sein.

Den weiteren Verlauf kann sich jeder selbst überlegen. Theatralische Feministen würden dem Kind noch andichten, es sei in Tränen ausgebrochen. Väter aus unserem Verein würden aus ihrer eigenen Erfahrung sprechen, wenn sie vermuten, dass die Mutter nun über den Papa ablästert und ihm Vorwürfe macht. Gesellschaftskonform und filmreif wäre die empathische Mutter, die nun mit dem Kind gemeinsam überlegt, woher seine Gefühle kommen und wie es damit umgehen kann.

Niemand würde jedoch auf die Idee kommen, das einzig richtige zu machen: Den Papa anrufen oder bei seiner Ankunft damit zu konfrontieren, dass sein Sohn sauer ist. Anstelle dessen würde jede noch so empathische Frau das Kind anleiten, wie es die Situation klären kann. Nach langen Gesprächen käme es wahrscheinlich zu einer Lösung in der Art, dass das Kind dem Vater sagen soll, dass Michaela nicht dabei sein soll oder dass das Kind dem Vater einen wie auch immer gearteten Kompromiss vorschlagen soll. Keine noch so empathische Mutter käme auf die Idee, dem Kind zu sagen, "sag dem Papa, dass Du sauer bist und warum. Mich geht das nichts an."

Es wird lange brauchen, bis die Gesellschaft so weit ist, dass sie Väterinteressen wirklich in der Lage ist als solche anzunehmen. Und dabei geht es auch nicht um egoistische Männerbedürfnisse, sondern eben das, was die gute Bindung zwischen Kind und Vater ausmacht, Väterinteressen eben. Denn diese reflektieren automatisch das ausgewogene Verhältnis zwischen Männer- und Kindbedürfnissen. Empathie für den Papa ist aber heutzutage Fehlanzeige. Ihm wird nachgesagt, er würde die Interessen seines Kindes nicht sehen und das Kind würde sich vor ihm fürchten.

Nehmen wir an, Tim hätte seinem Papa noch nie gesagt, dass er Michaela nicht mag. Kann man dann nicht auch weiter annehmen, dass es eben auch so ist, dass er sie eigentlich mag und nur der Mutter gegenüber behauptet, dass er Michaela nicht mögen würde? Für viele Mütter ist dieser Gedanke ausgeschlossen, und genau das ist ein kleines Mosaiksteinchen der Vielseitigkeit an Unverständnis von Kindern in Trennungssituationen.

Tim mag Michaela, die Mama mag sie nicht. Sie sieht in Michaela eine Konkurrentin. Tim weiß das, natürlich unbewusst. In seinem emotionalen Verständnis der Welt spürt er, dass es besser für ihn ist, wenn sein Papa Michaela ausgrenzt. Deswegen stellt er sich auf den Standpunkt, dass er mit Papa, aber nicht mit Michaela in den Zoo gehen möchte. Sobald der Papa ihn abholt, taucht Tim in eine andere Welt ein. Plötzlich ist es nicht mehr wichtig, was die Mama von ihm erwartet und er darf seinen eigenen Gefühlen und Bedürfnissen nachgehen. Sein eigenes Bedürfnis ist es, mit seinem Papa zusammen zu sein. Ob die Michaela dabei ist oder nicht, ist ihm nun völlig schnuppe.

Die strukturelle Benachteiligung von Männern, Vätern und Jungs besteht aus zahlreichen kleinen Missverständnissen dieser Art. Wir werden die vielen kleinen Mosaiksteinchen nicht zusammen bekommen, wenn die Männerarbeit sich darin erschöpft, Webseiten wie diese zu lesen und bei Bedarf zuzustimmen. Deswegen rufen wir jedes Jahr im Juni zur Demo "Allen Kindern beide Eltern" auf. Überlegt nicht, ob ihr hin geht - geht hin und bringt noch zwei oder drei Leute mit. Der eine fühlt sich benachteiligt, der andere möchte nur plaudern. Es gibt die Gelegenheit, sich zu begegnen, sich auszutauschen, einander beizustehen und zu helfen. Wir wollen nicht nur demonstrieren. Wir wollen euch zusammen bringen und euch die Gelegenheit geben, euch gegenseitig noch besser kennen zu lernen. Väter können sich nicht untereinander helfen, wenn sie sich nicht begegnen.